Die Segelmacherklasse im 2. Lehrjahr beginnt: Der Lebenslauf eines Segelmacherhandschuhs
Ich bin gut gebaut und für Rechtshänder geeignet, habe sogar eine Verstärkung aus Kunststoff und gehöre zu einer mittelhohen Preiskategorie. In mir steckt enormes Potential, dass ich nun in meiner ersten Tätigkeit voll zu Geltung bringen will. Zurzeit läuft es nicht besonders gut für uns Segelmacherhandschuhe, es gibt nicht mehr viel zu tun, und die wenige Segelmacherhandarbeit die anfällt erledigen noch die alten Segelmacherhandschuhe die sich hartnäckig halten.
Zwischen Segelmacher und Handschuh entstehen oft langlebige Beziehungen, die meistens ein Leben lang halten. Liebevoll kümmert sich der Eigentümer um uns, er wachst uns ein, beschriftet oder graviert uns. So hebt man sich von der Masse der unverbrauchten Segelmacherhandschuhe ab und der eigene Lebenslauf beginnt. Ein junger Auszubildender bietet da eine gute Chance, aus der Anonymität des Lagers raus zu kommen und seine Persönlichkeit zu entfalten.
Ich bin jedenfalls noch ganz sauber und sollte laut Lieferschein meinen Dienst vorgestern antreten. Kaum bin ich im Betrieb angekommen, werde ich aus der Packung gerissen und vom Meister, Gesellen und Lehrling begutachtet. Nach dieser anfänglichen Euphorie komme ich zu nächst ins Regal und liege dort für lange Zeit ganz allein. Wie soll ich da meine Fähigkeiten beweisen. Aber bald werde ich zum Einsatz kommen. Die Tage vergehen und ich gewöhne mich langsam an die neue Umgebung, Von weitem kann ich einen alten Kollegen erkennen. Der sieht so aus als hätte er schon so einiges miterlebt, aber er beachtet mich nicht.
Dann eines Morgens beginnt die Arbeit, die Mastrutscher aus Drahttauwerk von einem Traditionssegler sollen mit dickem Rinderleder ummantelt werden. Mit einer Ledernaht werden die extra angepassten Lederteile zusammen genäht. Eine ganze Woche in Folge, ohne Pause drücke ich die Nadel rein in das Leder und raus aus dem Leden. Die Lochzange erleichtert mir ungemein die Arbeit, sie hat schon den Nahtverlauf vorgelocht, so flutscht die Arbeit von der Hand. Nur an den Enden muss ich die Nadel ganz allein durch das Leder drücken, um einen Takling zu setzen. Dabei habe ich vor lauter Kraft, die olle Nadel leicht verbogen. Der Lehrling hat Blasen an den Händen und schwitzt mich voll, außerdem pickt er sich ständig in die Finger. Aber so wächst langsam meine persönliche Geschichte.
Jetzt habe ich Ruhe, bin wieder allein im Regal und warte auf meinen neuen Einsatz.
Was machen wir überhaupt?
Aber das ist nicht alles, denn wenn wir z.B. mal in der Mittagspause sitzen und aus dem Fenster schauen und jemand mit seinem reparaturbedürftigen LKW-Anhänger ankommt, geht die Laune rauf und gleichzeitig runter und wir müssen meistens sofort raus und sie reparieren, da geht schon mal ´ne Pause weg. Wir reparieren und bauen im Allgemeinen alles: Persenninge, Segel – von Sturmfock bis Spinnaker, Planen, Sonnensegel, Markisen und Sonderanfertigen wie z.B. Armtragen, Sesselbezüge und so weiter. Tauwerk gehört auch noch dazu, auf Wunsch Spleiße und anderes. Oft kommt jemand und braucht neuen Wantendraht, den haben wir selbstverständlich auch da.
Es ist eigentlich schwer zu sagen was wir alles machen, da ist es einfacher zu sagen was wir nicht machen.
Ich selber habe gemerkt, dass LKW-Planen zu reparieren draußen in der Sonne am anstrengten ist, aber auch Bezüge reinigen und neu imprägnieren ist anstrengend, wobei es eigentlich ganz gut ist mal draußen zu sein wenn man den ganzen Tag in der Halle sitzt. Wir machen aber noch andere Sachen,… Masten stellen und trimmen sowie Rollreffanlagen anbringen und komplette Riggs zusammen bauen und zu Stellen – da ist man schon mal länger mit beschäftigt. Wir fahren auch oft zu Kunden und nehmen Maß für ihre Sprayhoods und Kuchenbuden.
Also für mich besteht das Berufsbild darin:
einmal ganz klar die Anfertigung von Segeln, Planen, Bezügen und Sonderanfertigungen und die Reparaturen von Segeln, Planen, Zelten und so weiter.
Was auch wichtig ist, ist der Kundenservice das heißt wegen Problemen zu den Kunden hinfahren und Dinge anbauen, Maßnehmen und Kunden beraten.
Zu den Segeln gehört weitaus mehr als nur an der Nähmaschine zu sitzen, denn dazu gehört auch die Arbeit mit Handschuh und Nadel z.B. Ringe fest nähen, Reffreihen am Liek benähen, Liekklemmen, Mastrutscher, Kauschen und Kopfbretter anbauen, Segellatten zuschneiden, UV-Schonkanten aufkleben oder UV-Schutzlack auftragen Windbändsel anbringen. Die Spannung im Vorliek muss auch eingestellt werden, das Vorliek einer Genua oder Fock muss benäht werden. Man sieht: es ist mehr als nur Nähmaschine.
… Und dann gibt es noch die Lkw-Planen und Bezüge:
Zuerst muss man seine Maße überdenken und dann das Schnittmaß ermitteln. Dann wird das PVC abgeschnitten und alles per Kreideschnur angezeichnet, dann kommt der Läufer zum Einsatz, er schweißt die einzelnen Bahnen zusammen und schweißt die Hohlsäume nachdem z.B. das Lkw Dach, die Seitenplanen und Giebel fertig sind, werden die Ösen eingeschlagen bzw. die Beschläge angebaut und danach die Plane aufgelegt und die restlichen Beschläge am Fahrzeug angebaut.
Tätigkeitsbeschreibung einer Segelmacherauszubildenden (1. Lj.)
Wenn die Maße für die Segel an Bord genommen und vom Designer am PC in einen Segelentwurf umgesetzt sind, werden die Einzelbahnen und Verstärkungen vom Plotter angerissen und vom integrierten Cutter gleich zugeschnitten. Die weiteren Schritte werden mehr oder weniger per Hand oder Nähmaschine gemacht. Bei jedem der folgenden Arbeitschritte werde ich eingesetzt:
- Einzelbahnen und Boltenteile leicht gespannt aneinander kleben und entstandenes Profil auf Unebenheiten überprüfen
- geklebtes Segel in gerolltem Zustand an der Langarmnähmaschine zusammennähen
- geklebtes Segel in gerolltem Zustand an der Langarmnähmaschine zusammennähen
- Lieke straken
- Lattentaschen anfertigen und auf’s Segel nähen
- Eckbolten zusammennähen, auf’s Segel kleben und festnähen
- Lieke mit gewünschten Liek- bzw. Profilstreifen versehen und annähen
- Ecken versäubern, mit Kauschen oder Gurtschlaufen bzw. Kopfbrett ausrüsten
- Reff- und Cunninghamkauschen, Klemmen für Regulierleinen, Lattenendbeschläge montieren
- diverse Stellen, z. B. Vorliektau per Hand durchnähen
- am Vorliek (und Unterliek) je nach Kundenwunsch Ösen einschlagen und Rutscher, Stagreiter o. ä. befestigen
- Segellatten ablängen und anpassen
- ggf. Stropps aus Gurtband, Tauwerk oder Draht fertigen (z. T. mit Augspleiß bzw. Drahtpresshülsen)
- Segel aussetzen und alles ein letztes Mal kontrollieren
- Segel zusammenlegen und versand- oder abholfertig machen
Besonders gut fand ich, dass ich ein paar Sturm- oder Stagfocksegel komplett allein fertigen konnte, wobei alle wesentlichen Arbeitschritte des Segelmachens erfasst werden mussten.
Neben der Neuanfertigung von Segeln habe ich in der Firma auch schon Segel repariert oder verändert, bspw. Risse und Scheuerstellen in den grünen Rahsegeln der Bark Alexander-von-Humboldt (Beck’s-Schiff).
Ich arbeite (mehr oder weniger viel) mit Hilfe folgender Maschinen: Nähmaschinen, Kauschenpresse, Nietmaschine, Drahthülsenpresse, Bohrmaschine, Schneidemaschine, Zug- und Schussapparat, Schleifmaschine.
Ansonsten benutze ich das übliche Segelmacherwerkzeug wie Schere, Handschuh, Nadeln, Faden, Trenner, Zange, Zollstock, Locheisen, Ösenstanzen, Hammer und Schraubendreher.
Ein Tag im Leben einer Segelmacherin (1. Lehrjahr)
Desweiteren stellen wir Sonnensegel, Sonnenschirme, Windschutze, Baumkleider, Maindrops und alle möglichen Arten von Abdeckungen her. Sprayhoods und Kuchenbuden werden bei uns repariert, Aufträge für Neuanfertigungen gehen an unsere Partnerfirma.
Bei durch Stockflecken und Grünspan verunreinigten Segeln und Bezügen bieten wir Reinigungen an.
Im Herbst und im Frühjahr fallen auch viele Arbeiten in den umliegenden Häfen an. Wir schlagen Segel an und ab, bauen Maindrops und andere Bezüge an, vermessen Riggs für Neuanfertigungen, liefern Masten an und lagern sie im Winter ein.
Desweiteren bauen wir Rollreffanlagen und machen andere Riggarbeiten, wie Drahtpressungen.
Meine Aufgaben als Lehrling:
Vor- und nachbereitende Arbeiten.
Dies gehört zu meinen täglichen Aufgaben: Morgens öffne ich die Jalousien, koche Kaffee, entlüfte den Kompressor und schaue nach, ob Segel von Kunden in unserer Garage liegen. Abends wird die Halle gefegt und einmal in der Woche gewischt, die Mülleimer hinausgebracht. Wenn Pakete kommen, kontrolliere ich diese und sortiere die Ware weg. Vorbereitende Arbeiten sind auch das Zuschneiden von Windbändseln und Verstärkungen, Nähen von Lattentachen und noch sehr viel mehr. Bei komplexeren Arbeiten helfe ich und bereite Details vor. Die Segelsackproduktion liegt ebenfalls in meiner Verantwortung.
Reparaturen an Segeln und Bezügen.
Dort müssen oft Scheuerstellen und Löcher geflickt und verstärkt werden, Nähte nachgenäht werden, Fenster ausgetauscht und Liektape und Säume erneuert werden.
Die Reinigung.
Biologische Verschmutzungen können sehr gut mit einem chlorhaltigen Reinigungsmittel entfernt werden. Die gereinigten Bezüge werden danach neu imprägniert und die Scheiben an Kuchenbuden und Sprayhoods poliert, sodass sie danach oft wie neu aussehen.
Arbeiten an Neusegeln.
Die einzelnen Bahnen werden vom Plotter vorgezeichnet und ausgeschnitten. Danach werden sie zusammengeklebt und durchgenäht, was meistens ich mache. Ich schneide Segelzeichen und -nummern zu und klebe sie ein. Oft mache ich auch Handarbeit an den Neusegeln. Dazu gehört zum Beispiel das Einschlagen von Ösen, Abnähen von Lattentaschen, Angurten von Mastrutschern, Annähen von Liekklemmen, Zuschneiden der Segellatten und vieles mehr.
Anfertigen von Bezügen.
Einfache Bezüge, wie Baumkleider, Windschutze und Sonnensegel werden ebenfalls von mir gefertigt.
Ich mach´s: Ein Beruf stellt sich vor. (Eine Sendung des Bayrischen Rundfunks)
http://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/ich-machs/im-segelmacher-100.html